Der EuGH hat mit Urteil vom 19.12.2013 – C-209/12 eine bedeutsame Entscheidung getroffen, die für Millionen von Lebensversicherungskunden einen Geldsegen bedeuten könnte. Diese Entscheidung betrifft alle Lebens-und Rentenversicherungsverträge, die zwischen 1995 und 2007 abgeschlossen wurden. Die überwiegende Zahl dieser Verträge wurde damals nach dem damals üblichen sog. Policenmodell, welches in § 5 a VVG a.F. geregelt war, geschlossen. In der Praxis bedeutete dies, dass der Versicherungsnehmer bei einem Versicherer einen Antrag auf Abschluss eines Versicherungsvertrages gestellt hat. Diese Anträge wurden oft zu Hause im Beisein eines Vermittlers, der nicht selten aus dem Freundeskreis kam, ausgefüllt und an die Versicherung weitergeleitet. Der Versicherer versandte an den Versicherungsnehmer nach Prüfung der Unterlagen innerhalb von zwei Wochen eine Versicherungspolice sowie die Versicherungsbedingungen und die Verbraucherinformationen zu. Weil der Versicherungsnehmer diese Informationen nicht bereits bei der Antragstellung (also bevor er den Antrag unterzeichnet hatte), räumte ihm § 5 a VVG a.F. das Recht ein, sich die Sache noch einmal zu überlegen und gegebenenfalls dem Vertrag innerhalb einer Frist von 14 bzw. 30 Tagen zu widersprechen. Blieb der Versicherungsnehmer untätig, kam der Vertrag nach Ablauf der Frist endgültig zustande. Die oben genannte Frist begann nach § 5 a Abs. 2 S. 1 VVG a.F. nur dann zu laufen, wenn der Versicherer dem künftigen Versicherungsnehmer alle notwendigen Vertragsinformationen ausgehändigt hat und ihn in drucktechnisch deutlicher Form über sein Recht zum Widerspruch belehrt hat. Hat der Versicherer den Versicherungsnehmer nicht ordnungsgemäß belehrt, konnte der Versicherungsnehmer dem Vertrag auch noch nach Ablauf der 14 Tage widersprechen. Hier hat der Gesetzgeber jedoch in § 5a Abs. 2 S. 4 VVG a.F. eine zeitliche Schranke eingebaut: Der Versicherungsnehmer konnte sich vom Vertrag dann nicht mehr lösen, wenn seit der ersten Prämienzahlung ein Jahr verstrichen war, also auch, wenn er nicht belehrt worden war. Diese zeitliche Beschränkung des Widerspruchsrechts in § 5 a Abs. 2 S. 4 VVG a.F. bildete den Gegenstand des Streits vor dem EuGH und war ein bislang unüberwindbares Hindernis für die Verwirklichung der Ansprüche der Lebensversicherungsnehmer. Dieses Hindernis hat der EuGH nun nach einer Vorlagefrage des Bundesgerichtshofs vom 28. 03.2012 –  AZ IV ZR 76/11 beseitigt.  Der Europäische Gerichtshof stellte in seinem Urteil fest: Die nationale Regelung des § 5a Abs. 2 S. 4 VVG a.F., wonach ein Rücktrittsrecht spätestens ein Jahr nach Zahlung der ersten Versicherungsprämie erlischt, wenn Versicherungsnehmer nicht über das Recht zum Rücktritt belehrt worden ist, widerspricht dem Unionsrecht. Der EuGH hat insbesondere das Ziel der Zweiten und Dritten Richtlinie Lebensversicherung hervorgehoben, den Versicherungsnehmer vollumfänglich zu informieren, damit er in die Lage versetzt wird, das für ihn passende Produkt auszuwählen. Die Richtlinie schreibt in diesem Zusammenhang vor, dass der Versicherungsnehmer insbesondere über sein Rücktrittrecht genau belehrt werden muss. Erlischt das Recht des Versicherungskunden zum Rücktritt, wie es § 5a Abs. 2 S. 4 VVG a.F. vorsah, obwohl er über das Rücktrittrecht nicht ordnungsgemäß belehrt war, läuft dies dem grundlegenden Ziel der Zweiten und Dritten Richtlinie Lebensversicherung zuwider. Das hat zur Folge, dass der Versicherungsnehmer dem Lebensversicherungsvertrag auch noch nach Jahren widersprechen und alle seine Beiträge zurückverlangen kann, wenn er beim Vertragsschluss nicht ordnungsgemäß über sein Recht zum Rücktritt belehrt worden ist.