K   Keine Verjährungshemmung durch Mustergüteanträge

Vier Ehepaare sind mit Schadensersatzklagen wegen angeblich fehlerhafter Anlageberatung gegen den Finanzdienstleister Swiss Life Select (ehemals AWD, Allgemeiner Wirtschaftsdienst) wegen Verjährung vor dem BGH gescheitert. Das Urteil des BGH hat damit Auswirkungen auf tausende Anleger. Damit sind mögliche Schadensersatzforderungen der Anlager gegen den Nachfolger die Swiss Life Select wegen (angeblich) falscher Anlageberatung nicht mehr durchsetzbar. Vorliegend wurden die Kläger in den Jahren 1999 und 2001 beraten und hatten sich in diesen Jahren an geschlossenen Immobilienfonds beteiligt und fühlten sich im Nachhinein falsch beraten.

Um den Eintritt der Verjährung zu verhindern, hatten sie später im Wesentlichen inhaltsgleiche Güteanträge bei einer Gütestelle in Freiburg eingereicht, welche  auf vorformulierte Mustergüteanträge zurückgegangen seien, die eine Anwaltskanzlei den Anlegern zur Verfügung gestellt hatte. Dem Vernehmen nach haben mehrere tausend Anleger von diesen oder ähnlichen Musteranträgen Gebrauch gemacht. Die Swiff Life Select verschloss sich einer außergerichtlichen Einigung, so dass die Anleger Klage erhoben und sich – im Ergebnis erfolglos – darauf beriefen, dass die von den  Anwälten vorformulierten Musteranträge die Verjährung gehemmt hätten.

Der BGH entschied, dass die Güteanträge viel zu ungenau formuliert seien. Nur wenn diese inhaltlich bestimmte Anforderungen erfüllen, können solche Anträge demnach eine Verjährung der Ansprüche verhindern. So ist erforderlich, dass das Schriftstück die konkrete Kapitalanlage bezeichnet, die Zeichnungssumme sowie den ungefähren Beratungszeitraum. Darüber hinaus muss der Beratungshergang wenigstens in groben Zügen beschrieben und das angestrebte Verfahrensziel benannt werden. In den entschiedenen Fällen waren jedoch nur Namen der Anleger und Bezeichnung des Fonds angegeben (Urt. v. 18.06.2015, Az. III ZR 189/14, 191/14, 198/14 und 227/14).

Damit genügten die verwendeten Mustergüteanträge den Anforderung jedoch nicht. Sie wiesen keinen Bezug zum konkreten Beratungshergang in dem der Gütestelle vorgelegten Einzelfall auf und enthielten als individuelle Angaben lediglich die Namen der Kläger sowie die Bezeichnung des Anlagefonds. Die Anträge hätten weder die Zeichnungssumme noch den Beratungszeitraum noch andere die getätigte Anlage individualisierende Tatsachen genannt. Auch das angestrebte Verfahrensziel werde in den Güteanträgen nicht ausreichend beschrieben. Die Größenordnung des jeweils geltend gemachten Anspruchs sei für das beklagte Unternehmen nicht im Ansatz zu erkennen gewesen.

Der Gegner müsse aber im Güteantrag erkennen, welche Ansprüche gegen ihn geltend gemacht würden, hieß es. Nur so könne er prüfen, ob er Güteverhandlungen führen wolle. Auch der neutrale Vermittler müsse über den Gegenstand des Streits ausreichend informiert sein.

Das Urteil hat Grundsatzbedeutung über den Fall Swiss Life hinaus und betrifft nach Gerichtsangaben Tausende von Anlegern, die mit Güteanträgen Klagefristen wahren wollten. „Damit erweist sich eine große Zahl derzeit laufender Klagen von Kapitalanlegern als unbegründet“, hieß es.

Fazit:

Es ist daher auch in solchen Gebieten dringend erforderlich, dass die Angelegenheit durch einen kompetenten und versierten Rechtsanwalt bearbeitet wird. Viel zu oft verlasssen sich Verbaucher aber auch Firmen auf „Musterschreiben“, welche im Internet kursieren. Dieser Fall zeigt, dass aber auch Musterschreiben von Anwälten nicht bedenkenlos verwendet werden können, wenn die Anspruchsteller nicht Gefahr laufen wollen, ihre Forderung oder deren Durchsetzbarkeit zu gefährden.

Die Kosten der Verfahren waren für jedes Verfahren weit über 20.000,- € (drei Instanzen), durch professionelle Arbeit hätte daher viel Geld den Anlegern gespart werden können.

Hier die Pressemitteilung:

Der BGH hat entschieden, welche Anforderungen an Güteanträge zu stellen sind, die zur Hemmung der Verjährung von Ansprüchen wegen fehlerhafter Kapitalanlageberatung nach § 204 Abs. 1 Nr. 4 BGB führen.

Den Klagen der geschädigten Anleger lagen jeweils Mustergüteanträge zugrunde, wie sie einem breiten Publikum von Rechtsanwälten zur Verfügung gestellt und in großer Zahl verwendet worden sind. Die Kläger verlangen von dem beklagten Finanzdienstleistungsunternehmen unter dem Vorwurf der fehlerhaften Kapitalanlageberatung Schadensersatz. Den Klagen liegen Beteiligungen an geschlossenen Immobilienfonds aus den Jahren 1999 und 2001 zugrunde. Die Frist für die Verjährung der Schadensersatzansprüche betrug gemäß § 195 BGB a.F. zunächst 30 Jahre. Seit dem 01.01.2002 gilt gemäß Art. 229 § 6 Abs. 4 Satz 1 EGBGB jedoch eine maximale Verjährungsfrist von 10 Jahren, die hier mit Ablauf des 02.01.2012 (Montag) endete (§ 199 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 BGB n.F.). Zum Zweck der Hemmung der Verjährung reichten die jeweiligen Kläger im Dezember 2011 Güteanträge bei einer Gütestelle in Freiburg/Breisgau ein. Diese im Wesentlichen inhaltsgleichen Güteanträge gehen auf vorformulierte Mustergüteanträge zurück, die Anlegern von einer Anwaltskanzlei zur Verfügung gestellt worden waren. Dem Vernehmen nach haben mehrere tausend Anleger hiervon (oder von ähnlichen Musteranträgen) Gebrauch gemacht. Diese Fälle sind Gegenstand von laufenden Zivilprozessen in verschiedenen Gerichtsinstanzen.

Der BGH hat entschieden, dass sich eine große Zahl derzeit laufender Klagen von Kapitalanlegern als unbegründet erweist.

Nach Auffassung des BGH haben Güteanträge in Anlageberatungsfällen regelmäßig die konkrete Kapitalanlage zu bezeichnen, die Zeichnungssumme sowie den (ungefähren) Beratungszeitraum anzugeben und den Hergang der Beratung mindestens im Groben zu umreißen; ferner sei das angestrebte Verfahrensziel zumindest soweit zu umschreiben, dass dem Gegner und der Gütestelle ein Rückschluss auf Art und Umfang der verfolgten Forderung möglich ist. Der Güteantrag müsse für den Gegner erkennen lassen, welcher Anspruch gegen ihn geltend gemacht werden soll, damit er prüfen könne, ob eine Verteidigung erfolgversprechend sei und ob er in das Güteverfahren eintreten möchte. Ferner sei zu berücksichtigen, dass der Güteantrag an die Gütestelle als neutralen Schlichter und Vermittler gerichtet werde und diese zur Wahrnehmung ihrer Funktion ausreichend über den Gegenstand des Verfahrens informiert werden müsse. Eine genaue Bezifferung der Forderung müsse der Güteantrag seiner Funktion gemäß demgegenüber grundsätzlich nicht enthalten.

Diesen Anforderungen genügten die verwendeten (Muster-)Güteanträge nicht. Sie wiesen keinen Bezug zum konkreten Beratungshergang in dem der Gütestelle vorgelegten Einzelfall auf und enthielten als individuelle Angaben lediglich die Namen der Kläger (als Anleger, Gläubiger und Antragsteller) sowie die Bezeichnung des Anlagefonds; sie nannten weder die Zeichnungssumme noch den (ungefähren) Beratungszeitraum noch andere die getätigte Anlage individualisierende Tatsachen. Auch das angestrebte Verfahrensziel werde in den Güteanträgen nicht ausreichend beschrieben. Die Größenordnung des jeweils geltend gemachten Anspruchs sei für die Beklagte (als Antragsgegnerin) nicht im Ansatz zu erkennen gewesen.

Folge hiervon sei, dass die Güteanträge nicht geeignet gewesen seien, die mit der Einreichung dieser Anträge bezweckte Hemmung der Verjährung herbeizuführen; die verfolgten Schadensersatzforderungen seien daher mit Ablauf des 02.02.2012 und somit vor der späteren Klageerhebung verjährt und können nicht mehr durchgesetzt werden.

Vorinstanzen

III ZR 189/14 LG Hannover, Urt. v. 03.12.2013 – 7 O 125/13 OLG Celle, Beschl. v. 21.05.2014 – 11 U 314/13

III ZR 191/14 LG Hannover, Urt. v. 09.10.2013 – 11 O 38/13 OLG Celle, Beschl. v. 19.05.2014 – 11 U 259/13

III ZR 198/14 LG Hannover, Urt. v. 12.12.2013 – 8 O 107/13 OLG Celle, Beschl. v. 26.05.2014 – 11 U 15/14

III ZR 227/14 LG Hannover, Urt. v. 09.10.2013 – 11 O 29/13 OLG Celle, Beschl. v. 16.06.2014 – 11 U 255/13

Quelle: Pressemitteilung des BGH Nr. 100/2015 v. 18.06.2015

Die Fundstellen im Einzelnen:

  • BGH III ZR 189/ 14: http://juris.bundesgerichtshof.de/cgi-bin/rechtsprechung/document.py?Gericht=bgh&Art=en&nr=71566&pos=0&anz=1
  • BGH III ZR 191/14: http://juris.bundesgerichtshof.de/cgi-bin/rechtsprechung/document.py?Gericht=bgh&Art=en&nr=71567&pos=0&anz=1
  • BGH III ZR 198/14: http://juris.bundesgerichtshof.de/cgi-bin/rechtsprechung/document.py?Gericht=bgh&Art=en&nr=71568&pos=0&anz=1
  • BGH III ZR 227/14: http://juris.bundesgerichtshof.de/cgi-bin/rechtsprechung/document.py?Gericht=bgh&Art=en&nr=71569&pos=0&anz=1