Nach einer Pressemitteilung der BGH vom 16.07.2014 können Kunden ihre einbezahlten Prämien nicht Jahre nach Vertragsschluss plötzlich zurückverlangen.

Demnach verhalten sich Versicherungskunden „treuewidrig“, wenn sie jahrelang anstandslos einbezahlt haben und dann den Vertrag rückgängig machen wollen, obwohl sie von Anfang an über ihre Rechte Bescheid wussten, also eine ordnungsgemäße Aufklärung / Belehrung durch die Versicherung erfolgt ist.

Die Karlsruher Richter wiesen die Klage eines Kunden ab, der seine 1998 abgeschlossene fondsgebundene Lebensversicherung 2004 gekündigt und 2011 alle eingezahlten Prämien zurückverlangt hatte. Der Kunde habe die ihm zustehende gesetzliche Widerspruchsfrist verstreichen lassen und jahrelang einbezahlt. Seine Rechte habe er von Anfang an gekannt, denn er sei von seiner Versicherung vorschriftsmäßig aufgeklärt worden. Jetzt könne er nicht die Rückzahlung der Prämien verlangen, dies sei treuwidrig.

Betroffen waren Verträge, die zwischen 1994 und Ende 2007 nach dem Policenmodell abgeschlossen wurden. Dabei erhielt der Kunde sämtliche Unterlagen (also auch alle Informationen) erst mit dem Versicherungsschein und nicht bereits bei Vertragsschluss. Das Widerspruchsrecht erlosch nach damaligem Recht zwei Wochen nachdem der Versicherte vorschriftsmäßig über seine Rechte belehrt worden war, also zwei Wochen nach Erhalt der Police.

Der Kläger vertrat die Ansicht, die Verträge seien allesamt unwirksam, da sie gegen EU-Recht verstießen, denn dieses habe bereits in den 1990er Jahren eine viel frühere Information des Verbrauchers als bei der Übersendung des Versicherungsscheins vorgesehen. Ein Widerruf sei daher jederzeit möglich und demnach nicht verspätet.

Dem folgten die BGH-Richter zu Recht nicht. Der Vertrag sei wirksam zustande gekommen, hieß es in einer Mitteilung des Gerichts. Der Senat sehe keine Anhaltspunkte dafür, dass Europarecht dem Policenmodell entgegenstehe. Wenn hier von einer generellen Unwirksamkeit aller ausgegangen würde, so hätte dies zur Konsequenz, dass sich auch die Versicherer darauf berufen und im Nachhinein für sie nicht rentable Verträge rückabwickeln könnte. Damit wäre die Altersvorsorge von Millionen Menschen betroffen, insbesondere aber auch Verträge, die selbst heute noch eine Rendite abwerfen.

Hinweis:

Diese Klarstellung, dass die nach dem Policenmodell (!) abgeschlossenen Versicherungen grundsätzlich wirksam sind, wenn alle Bedingungen und die Widerrufsbelehrung fehlerfrei dem Kunden zur Verfügung gestellt worden sind, war für die Versicherungswirtschaft insgesamt sicher hilfreich. Für die Verbraucher ändert sich damit allerdings wenig. Wichtig ist auch, dass der BGH keine Aussage über andere Vertragsmodelle getroffen hat.

Die Möglichkeit, den Versicherungsvertrag im Fall einer falschen oder fehlenden Widerrufsbelehrung zur widerrufen, bleibt mithin weiterhin unverändert bestehen. Damit werden auch künftig – wie im Urteil des BGH vom 7.5.2014 bestätigt – die bezahlten Beiträge sowie eine Verzinsung an den Versicherungsnehmer zurückerstattet, der gesamte Vertrag rückabgewickelt. Wie genau sich dies jedoch errechnet, hat der BGH offen gelassen, es soll jedenfalls keine vollständige Rückerstattung erfolgen.

    Hier die Pressemitteilung:

Der klagende Versicherungsnehmer begehrt Rückzahlung geleisteter Versicherungsbeiträge aus einer fondsgebundenen Lebensversicherung nach einem Widerspruch gemäß § 5a Abs. 1 Satz 1 VVG a.F. Der Versicherungsvertrag wurde nach dem in dieser Vorschrift geregelten so genannten Policenmodell geschlossen.

Die Vorinstanzen haben die Klage abgewiesen, weil der Kläger den Widerspruch gegen das Zustandekommen des Vertrages nicht fristgerecht innerhalb von 14 Tagen nach Überlassung der Unterlagen gemäß § 5a Abs. 1 Satz 1 VVG a.F. erklärt habe. Nach den Feststellungen des Berufungsgerichts erhielt der Kläger mit Übersendung des Versicherungsscheins die Allgemeinen Versicherungsbedingungen und die Verbraucherinformation und wurde ausreichend über sein Widerspruchsrecht belehrt.

Mit der Revision verfolgt der Kläger seinen Zahlungsanspruch weiter. Er meint, der Vertrag sei nicht wirksam zustande gekommen. Die Regelung des Policenmodell in § 5a VVG a.F. verstoße gegen Vorgaben der Zweiten und Dritten Richtlinie Lebensversicherung.

Der unter anderem für das Versicherungsvertragsrecht zuständige IV. Zivilsenat wird sich mit dieser Problematik zu befassen und auch zu prüfen haben, ob sich ein Versicherungsnehmer, der mit Überlassung der Versicherungspolice die Versicherungsbedingungen sowie die Verbraucherinformation erhielt und ordnungsgemäß über sein Widerspruchsrecht belehrt wurde, nach Durchführung des Vertrages auf eine etwaige Europarechtswidrigkeit des Policenmodells berufen kann. Diese Fragen konnten in dem Urteil des IV. Zivilsenats vom 7. Mai 2014 (IV ZR 76/11, WM 2014, 1030; Pressemitteilung Nr. 078/2014) offen bleiben, weil in jenem Fall die Widerspruchsfrist schon mangels ordnungsgemäßer Belehrung nicht in Gang gesetzt worden war.

Die maßgeblichen Normen lauten wie folgt:

Versicherungsvertragsgesetz in der Fassung des Dritten Gesetzes zur Durchführung versicherungsrechtlicher Richtlinien des Rates der Europäischen Gemeinschaften vom 21. Juli 1994 (Drittes Durchführungsgesetz/EWG zum VAG)

§ 5a

(1) Hat der Versicherer dem Versicherungsnehmer bei Antragstellung die Versicherungsbedingungen nicht übergeben oder eine Verbraucherinformation nach § 10a des Versicherungsaufsichtsgesetzes unterlassen, so gilt der Vertrag auf der Grundlage des Versicherungsscheins, der Versicherungsbedingungen und der weiteren für den Vertragsinhalt maßgeblichen Verbraucherinformation als abgeschlossen, wenn der Versicherungsnehmer nicht innerhalb von vierzehn Tagen nach Überlassung der Unterlagen schriftlich widerspricht. …

(2) Der Lauf der Frist beginnt erst, wenn dem Versicherungsnehmer der Versicherungsschein und die Unterlagen nach Absatz 1 vollständig vorliegen und der Versicherungsnehmer bei Aushändigung des Versicherungsscheins schriftlich, in drucktechnisch deutlicher Form über das Widerspruchsrecht, den Fristbeginn und die Dauer belehrt worden ist. Der Nachweis über den Zugang der Unterlagen obliegt dem Versicherer. Zur Wahrung der Frist genügt die rechtzeitige Absendung des Widerspruchs. Abweichend von Satz 1 erlischt das Recht zum Widerspruch jedoch ein Jahr nach Zahlung der ersten Prämie.

Zweite Richtlinie 90/619/EWG des Rates vom 8. November 1990 zur Koordinierung der Rechts- und Verwaltungsvorschriften für die Direktversicherung (Lebensversicherung) und zur Erleichterung der tatsächlichen Ausübung des freien Dienstleistungsverkehrs sowie zur Änderung der Richtlinie 79/267/EWG

Artikel 15

(1) Jeder Mitgliedstaat schreibt vor, dass der Versicherungsnehmer eines individuellen Lebensversicherungsvertrags, der in einem der in Titel III genannten Fälle geschlossen wird, von dem Zeitpunkt an, zu dem der Versicherungsnehmer davon in Kenntnis gesetzt wird, dass der Vertrag geschlossen ist, über eine Frist verfügt, die zwischen 14 und 30 Tagen betragen kann, um von dem Vertrag zurückzutreten.

Richtlinie 92/96/EWG des Rates vom 10. November 1992 zur Koordinierung der Rechts- und Verwaltungsvorschriften für die Direktversicherung (Lebensversicherung) sowie zur Änderung der Richtlinien 79/267/EWG und 90/619/EWG (Dritte Richtlinie Lebensversicherung)

Artikel 31

(1) Vor Abschluss des Versicherungsvertrags sind dem Versicherungsnehmer mindestens die in Anhang II Buchstabe A aufgeführten Angaben mitzuteilen.

Quelle: www.http://juris.bundesgerichtshof.de/cgi-bin/rechtsprechung/document.py?Gericht=bgh&Art=pm&Datum=2014&Sort=3&nr=67982&pos=16&anz=109